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Die Sierra de Cordoba im "Winter". Im Sommer ist es hier ganz feucht und grün.
In Österreich kennt man Cordoba vor allem wegen des legendären Fußballspiels von 1978, als man Deutschland mit 3:2 bezwang. Was viele jüngere Menschen nicht wissen, Österreich hatte damals keine Chancen mehr auf einen weiteren Aufstieg, das Match gegen Deutschland war ein reines letzte Pflichtspiel. Deutschland hatte aber noch Chancen auf das Spiel um Platz 3 gehabt, diese waren nach dem 2:3 jedoch zunichte. Im Sinne von „geteiltes Leid ist halbes Leid“ hat man den großen Bruder mit in den Abgrund gerissen. Österreich wurde narrisch vor Freude über einen Erfolg, der einem selbst nichts brachte sondern nur einem anderen schadete. Wenn man es selbst schon nicht schafft, dann soll der Nachbar auch schlecht haben. Diese Heimtücke gibt Einblicke in die Abgründe der österreichischen Seele und ihrem komplexbehafteten Verhältnis zu den Preußen. Der bedeutungslose Sieg von Cordoba sagt eigentlich alles über Österreich.
Papa und Wastl nützten meinen Aufenthalt in Argentinien um ihren Besuch zu einer Reise zu machen, ein verlängertes Wochende verbrachten wir gemeinsam in der Provinz Cordoba. Hier reiten sie gerade zufrieden durch die Sierra de Cordoba.
In der argentinischen Provinz Cordoba leben insgesamt auf der doppelten Fläche von Österreich 3,2 Millionen Menschen. Das ist für argentinische Verhältnisse jedoch eine überdurchschnittliche Bevölkerungsdichte. Cordoba, Santa Fe und die Hauptstadt Buenos Aires bilden mit jeweils rund 3 Millionen Einwohner/innen die mittelgroßen Provinzen. In der Provinz Buenos Aires leben 14 Millionen, ein Drittel der Gesatmbevölkerung. Die übrigen 20 Provinzen sind allesamt viel kleiner und politisch sowie wirtschaftlich relativ bedeutungslos. Cordoba Capital ist die zweitgrößte Stadt Argentiniens, Hauptstadt der zentral gelegenen Provinz Cordoba und mit 1,3 Millionen Einwohner/innen wesentlich größer als das andalusische Cordoba mit seiner Bevölkerung von 300.000. Cordoba Stadt liegt verglichen mit der Nordhalbkugel ca. auf der Höhe von Jerusalem (31. Breitengrad).
Der verblasste Glanz unseres Quartiers in La Cumbre steht irgendwie für den wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergangs Argentiniens. Erbaut wurde das Schlösschen 1923, also in den fetten Zeiten. Ein nicht mehr verwendeter Swimmingpool im Garten lässt darauf schließen, dass man in den 1950er-Jahren erweiterte. Den heutigen spezifischen Charme der Bude macht ihre heruntergekommene Eleganz aus.
Die Provinz Cordoba ist trockener als Mitteleuropa, aber grüner als der andine Nordwesten. In den Tourismusprospekten bezeichnet sich die Region selbst als „mediteranes Erlebnis“, wobei es kein Meer gibt und die Sommer sehr feucht sind. Was Cordoba aber aufbieten kann ist eine Sierra, also ein nicht zu den Anden gehöriges sehr schönes Gebirge, sowie einige (Stau)seen an denen ein bisschen Riveria-Feeling aufkommt.
Die Provinz Cordoba ist so, wie man sich Argentinien vorstellt. Es gibt unfassbar viel Platz, die Häuser sind etwas heruntergekommen, haben aber einen weiten Garten in dem ein großer Pick up herumsteht. Die zehntausenden Kühe bekommt man aufgrund der unendlichen Größe der Weideflächen nur unregelmäßig zu Gesicht. Regeln scheinen eher individuell auslegbare Richtlinien zu sein und die Menschen sind besonders freundlich. Die Provinz Cordoba ist im Gegensatz zur Hauptstadt Buenos Aires eben eindeutig amerikanisch und nicht europäisch. Wie in den USA gibt es vor allem Platz. Außerdem Prärien, ewig lange gerade Straßen, Riesenfarmen, Dörfer im Nirgendwo, Pick ups, Gauchos (Cowboy) und das Gefühl von Freiheit, weil Politik, Behörden und Hauptstadt schon geographisch so weit weg sind.
Der Ort La Cumbre eignet sich hervorragend zum Paragleiten, was ich und Wastl dann auch gleich ausprobieren mussten. 700 Meter über dem Startpunkt sieht man das Flussbett, die Berge, die Seen und den Condor, der in die schon etwas glühende Spätnachmittagssonne fliegt. Hier fliegt Wastl.
Auf dem Foto sieht man eindeutig, mit welchem Geschick ich das Paragleiten beherrschte. Die Anweisungen meines Tandemfliegers habe ich auch penibel eingehalten (die Aufgabe bestand darin sich nach Aufforderung nach links oder rechts zu lehnen).
Die Hauptstadt Cordoba liegt vom Flair irgendwo zwischen Buenos Aires und der Provinz Cordoba, zwischen einer südeuropäischen Metropole und den Weiten Arizonas. Ihr Zentrum ist recht urban im europäischen Sinne (alte Bausubstanz, Plätze, Kirchen etc.), die Leute bewegen sich aber wesentlich langsamer als in der Bundeshauptstadt. Nicht weit vom Zentrum beginnen auch schon die weiten Siedlungsflächen einstöckiger Wohnhäuser mit staubigen Gärten voller Gerümpel. In Argentinien hat man Platz, auch in den Provinzhauptstädten. Da kommt „American feeling“ auf. Cordoba Stadt ist mit sieben Universitäten und 150.000 Studierenden die Bildungsmetropole in Argentinien und wird dementsprechend auch „La Docta“ (die Gelehrte) genannt. Wirtschaftlich war Cordoba in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Industriezentrum. In den 1950er-Jahren wurde eine bedeutende Autoindustrie angesiedelt, der Automobilproduzent Industrias Kaiser Argentina stellte vorerst eigene argentinische Autos her, wurde aber in den 1970ern von Renault aufgekauft. Obwohl Cordoba heute primär eine Dienstleistungsmetropole ist, haben Renault, Fiat und VW noch Werke in der Stadt.
Wäre ich Student in Cordoba würde das so aussehen.
In Cordoba Stadt befinden sich mehrere wirklich schöne Gebäude aus der Kolonialzeit. Die Stadt ist voll von Klosteranlagen die den Orden als Stützpunkten dienten. Vor allem entlang der zentral gelegenen Universitätsmeile befinden sich einige alte Gebäude, in denen heute diverse Fakultäten untergebracht sind. So etwa die wunderschöne „Manzana de los Jesuitas“ aus dem 17. Jahrhundert. Die großartigen Arkadeninnenhöfe bieten die optimalen Voraussetzung für einen Campus. Die neueren Glas-Stahlkonstruktionen in der Universitätsmeile wurden geschickt und unaufdringlich in die alte Bausubstanz eingewoben. Studieren in Cordoba ist architektonisch mit Sicherheit zumindest ein ästhetisches Erlebnis. Auch die älteste erhaltene Kirche Argentiniens befindet sich in Cordoba. Die Iglesia de la Compañía de Jesús ist ein schönes und schlichtes Gebäude aus dem 17. Jh., das stilistisch schwer einzuordnen ist. Obwohl dies zeitlich unmöglich ist, beschreibt die Bezeichnung romanisch-kolonial vielleicht noch am ehesten den Baustil. Innen wurde die Kirche barockisiert (oder gleich von Beginn an so ausgestattet), aber bei weitem nicht so plump-aufdringlich wie österreichische Kirchen. Trotz prunkvoller Stilmittel bleibt ein demütig-spiritueller Eindruck erhalten, wobei der Umstand dass die vergoldeten Elemente schon lange nicht mehr poliert wurden, dieser Schlichtheit zugute kommt. Es ist erstaunlich wie viel Spielraum Architekten innerhalb einer Stilrichtung hatten. Der Barockarchitekt der Iglesia de la Compañía de Jesús (ein Flame namens Philippe Lemaire) hatte jedenfalls Stil.
Iglesia de la Compañía de Jesús
Politisch besondere Bedeutung hatte Cordoba 1969 im Rahmen des Cordobazo. Dieser Aufstand von Arbeiter/innen und Studierenden wird von manchen Beobachter/innen als Mai 68 Argentiniens betrachtet. Während der Militärdiktatur unter dem De facto-Präsidenten Juan Carlos Onganía (1966-1970) kam es zu Verschlechterungen in den Arbeitsbedingungen, denen die bürokratische peronistische Staatsgewerkschaft nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Im Mai 1969 schaffte die Regierung den „englischen Samstag“ ab (halbe Schicht für volle Bezahlung). Daraufhin organisierten sich in der Automobilmetropole Cordoba die Arbeiter/innen. In Folge von Massendemonstrationen besetzten sie gemeinsam mit Studierenden die gesamte Stadt. Die Polizei konnte den Aufstand nicht stoppen. Erst durch den Militäreinsatz konnte nach zwei Tagen die Kontrolle über Cordoba wieder hergestellt werden. 13 Tote und hunderte Verletzte waren die blutige Bilanz des Cordobazo. Der Rücktritt Onganías ein Jahr später wird als Spätfolge dieses Aufstands betrachtet.
Im Mai 2009 wurde 40 Jahre nach dem Cordobazo diese Gedenktafel angebracht. Die zwei Revolutionäre im Vordergrund solidarisieren sich ex post mit den Aufständischen.
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