Sonntag, 21. Juni 2009

Auswandern?

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10 Gründe von Wien nach Argentinien auszuwandern


1. Im Sommer ist wirklich Sommer. Er dauert von November bis April.
2. Die Menschen sind tendenziell freundlich und nur vereinzelt grantig, und nicht wie in Wien prinzipiell grantig und nur in Ausnahmefällen freundlich (Das gilt umso mehr für Europäer/innen, die hier sehr beliebt sind. Indigene Migrant/innen aus Peru werden das etwas anders sehen).
3. In jeder Bar, selbst in besseren Restaurants läuft eine Fernsehkiste. Was sich im ersten Eindruck als Unkultur darstellt, entpuppt sich rasch als dessen Gegenteil. Abgesehen davon, dass die Leute – außer bei Fußball – nicht hinschauen, ist ein Apparat deshalb notwendig weil die Bar das Wohnzimmer ist. In Buenos Aires kann man jeden Tag an fast jeder Ecke bis in die Früh Essen, Ausgehen oder Tanzen. Die Menschen in Argentinien führen ein wesentlich weniger individualisiertes Dasein und die gesamte Existenz ist in erster Linie auf Geselligkeit und Sozialleben ausgerichtet. Auf den zahlreichen Terrassen und in den Gärten sind ebenso Parillas (Griller) angebracht, wie in einigen Küchen. Die Menschen laden sich regelmäßig zum Grillen ein und die Familien treffen sich mindestens wöchentlich. Erst dachte ich, dies sei eine rein kulturelle Frage, sowie zwischen Süd- und Nordeuropa. Ein Italiener aus Ligurien hat mich diesbezüglich verunsichert. Er sagt seine Landsleute verbringen wesentlich mehr Zeit zu Hause und vor der Glotze und ein Sozialleben wie in Argentinien habe er noch nie gesehen. Seiner Auffassung nach ist der Wohlstand für die europäische Isolierung verantwortlich. Die argentinische Geselligkeit und die entsprechende gastronomische Infrastruktur ist eines der stärksten Argumente fürs Auswandern.
4. Kinder sind im öffentlichen Raum erwünscht und beliebt wie in Wien nur Hunde.
5. Unkomplizierte Geselligkeit, Neugier auf Neues, Spontanität und minimale Etikette stellen die österreichische Gemütlichkeit (gibt’s die???) in den Schatten
6. Die besten Zeiten sind zwar schon lange vorbei, aber der alte Glanz strahlt noch manchmal
7. Auf einer Geburtsparty eines in Argentinien lebenden Brasilianers gibt es eine Showeinlage in der meine italienische Tangolehrerin mit ihrem französischen Kollegen das Publikum im Innenhof des Mietshauses begeistert.
8. Du suchst etwas. Lebensmittel, eine Glühbirne, Nägel, eine Antiquität (alte Postkarte z.b.), einen Tanzkurs, eine Pizza oder einen Schneider. Kein Problem, stell dich vor deine Haustüre und gehe der Nase nach. Alle die aufgezählten finde ich in meinem stinknormalen Mittelklassebezirk „San Christobal“ im Umkreis von drei (!) Gehminuten. Die meisten Dinge bekomme ich direkt in meinem Block. Wo man in Wien schon nervös wird weil man überlegt wie man zu den großen Baumärkten am Stadtrand überhaupt mit Öffis hinkommt, braucht man in Buenos Aires nur umfallen und irgendein kurioser Mischwarenhandel hat alles was du brauchst. Die Dichte an Kleinhändlern ist natürlich unfassbar ineffizient, aber praktisch und romantisch.
9. Argentinien ist politisch in Ordnung. Im Gegensatz zu den chilenischen Nachbarn wissen 95% der Argentinier was für ein Verbrecherregime ihre Militärdiktatur war. Auch wenn die Politik ein Chaos ist, der wirtschaftsliberale Mainstream wie er in Europa vorherrscht existiert hier nicht. Die Mittelschicht betrachtet die ultraliberale Ausverkaufsphase während der 1990er-Jahre als gescheitert. Sämtliche junge gebildete Argentinier/innen denken Mitte Links oder Links. Das spiegelt sich auch in der Gesellschaft wieder, die sehr liberal ist. Homosexualität meiner Einschätzung nach besser akzeptiert als in Österreich und in zwei Bundesstaaten (darunter Buenos Aires Stadt) gibt es auch eingetragene Partnerschaften.
10. Argentinien ist im Gegensatz zu vielen nördlicheren lateinamerikanischen Staaten (Mexiko, Kolumbien) ein politisches und vor allem kulturelles Bollwerk gegen die US-Dominanz. Fastfoodketten und Blockbuster nehmen schon im öffentlichen Raum wesentlich weniger Platz ein als in Wien oder gar in Madrid. Diese kulturelle Abgrenzung wird mit Stolz gepflegt.

In Argentinien ist das (gesellige) Sozialleben das wichtigste. Dazu gehört in der Regel ein Asado (Grill)

10 Gründe um in Wien zu bleiben


1. Staatsbürger/innen haben Rechte und müssen sich nicht um 1:00 in der Früh auf einer Überlandstraße 45 Minuten lang von der schwer bewaffneter Militärpolizei filzen lassen, die den gesamten Reisebus inklusive Gepäck mit Hunden auf Drogen untersucht, während man im Straßengraben auf das Ende des demütigenden Herrschaftsschauspiels wartet.
2. Staatsbürger/innen haben Rechte und müssen sich nicht um 1:00 in der Früh auf einer Überlandstraße 45 Minuten lang von der schwer bewaffneter Militärpolizei filzen lassen, die den gesamten Bus inklusive Gepäck mit Hunden auf Drogen untersucht, während man im Straßengraben auf das Ende des demütigenden Herrschaftsschauspiels wartet.
3. Die Qualität des Essens ist in Wien wahrscheinlich so hoch wie kaum wo auf der Welt und mit Buenos Aires (Fleisch, Fleisch, Pizza, Fleisch) schlicht nicht vergleichbar.
4. Die Preise sind halb so hoch wie in Wien, die Löhne aber nur ein Viertel. Die verhältnismäßig minimale absolute Armut in Wien macht kein schlechtes Gewissen für ein unbeschwertes Studentendasein.
5. Es gibt schöne ruhige Cafés die nicht unmittelbar an einer Megaavenida liegen
6. Die besten Zeiten sind zwar schon lange vorbei, aber der alte Glanz strahlt noch manchmal
7. Es gibt richtige Stadtplätze, Fußgängerzonen, Diagonalstraßen und entsprechende Dreieckshäuser, all das ist Bs As - Straßenbild (Typus Schachbrett) nicht vorhanden
8. Man darf im Gegensatz zu Bs.As. in vielen Lokalen, Cafés und Restaurants noch Rauchen.
9. Die Unternehmen und staatlichen Dienstleistungen funktionieren in der Regel
10. Partys in Wien krachen, weil die Leute (auch „Dank“ Alkohol) einen Kontrollverlust zulassen um ihr formales Verhalten im Alltag zu kompensieren. In Argentinien ist man im Alltag weniger stark kontrolliert, dafür sind viele Partys Kaffeekränzchen wo nicht einmal ein Glas kaputt geht. Außerdem kann es passieren dass darauf angestoßen wird, dass alle anwesenden bald unter die Haube kommen (Schluck).

Eine Spittelbergidylle wird man in der Straßenstadt Buenos Aires vergeblich suchen

2 Kommentare:

  1. Punkt 1 des "10 Gründe für Wien" Teils klingt nach einem Trauma von dem ich gerne mehr gehört hätte....

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  2. Naja, es ist so, dass die Polizei in Argentinien prinzipiell ein eigener Machtfaktor ist. Neben den schwer korrupten Polizeieinheiten der Provinzen (die Polizei der Stadt BA soll nicht ganz so schlimm sein), gibt es dann die besonders grimmige Bundespolizei.

    Bei jeder längeren Busfahrt die ich bis jetzt unternommen habe kamen sie mit riesigen Waffen und Hunden um einzelne Leute, der eben den ganzen Bus zu filzen. Ein paar Französinnen wären fast festgenommen worden, weil ihre Gewürze von den Hunden als Drogen identifiziert wurden. Bei einer Rückreise aus Bolivien wurde der gesamte Bud um 1:00 gefilzt, alle Taschen, alle Personen. Das ist hier normal.

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