Dienstag, 3. Februar 2009

What is Austria?





Ihr internationales Gegenüber kann mit dem Begriff „Austria“ genau Null anfangen? Obwohl sie kein großer Patriot sind ist ihr Nationalbewusstsein, von dessen Existenz sie bis vor kurzem gar nichts wussten, schwer angeschlagen? Die Bedeutungslosigkeit ihrer Herkunft droht auf sie selbst abzufärben? Um schleunigst Abhilfe zu schaffen muss alles was mit Österreich assozierbar ist aus dem Hut gezaubert werden. Mit Zeitgenossen zu punkten sollte man sich aber eher aus dem Kopf schlagen! Hier ein paar Tipps, was den nicht österreichischen Menschen auf dieser Welt eventuell bekannt sein könnte:


1. „Der Einstieg mit den Highlights“ oder „Assoziationen für nicht-intellektuelle ausländische Bekannte“


- Mozart, Strauss, Schubert, Haydn, Bruckner, Mahler erwähnen (in exakt DIESER Reihenfolge!) Zumindest ersterer hat noch immer gezogen
- Auch eine todsichere Bank ist Sigmund Freud. (das anerkennende Nicken des Gegenübers führt zu einer ersten dezenten Erleichterung).
- Vorsummen des Donauwalzers (unbeschwerte Heiterkeit über die vertrauen Töne beim Gegenüber)
- Wenns wirklich sein muss: „Arnold Schwarzenegger“ erwähnen (Achtung, in Muttersprache des Gegenübers aussprechen, sonst unbekannt)
- Ganz raffiniert: Heinrich Harrer: Nie gehört? Aber Sieben Jahe in Tibet haben alle gesehen
- Auf Sissi ist oft Verlass, v.a. bei Damen. Auch Romy Schneider ist älteren Semestern noch ein Begriff.
- Sound of Music ist bei Amis eine sichere Bank, bei anderen Nationen muss man tendenziell schwitzen, eventuell den Begriff „Trapp-Familie“ verwenden.
- Für Leute mit Selbstironie: Natascha Kampusch und Josef Fritzl kennt man fast überall. Sogar auf den Phillipinen…




2. „Die Literaturschiene“ oder „Weltliteratur die die Welt einfach nicht kennen möchte“


- Franz Kafka ist der einzige 100% Treffer bei Menschen mit einem Mindestmaß an literarischem Interesse. Bei eventuellem Widerstand bestehen sie selbstsicher darauf, dass er Prager und Österreicher ist. Im Notfall Konstrukt der Monarchie in drei Sätzen erklären. Argumente die helfen: Böhmen gehörte zur österreichischen Hälfte, Kafka schrieb auf Deutsch und außerdem ist er ja bei Klosterneuburg gestorben…
- Zweig, Roth, Werfel, Schnitzler, Musil, Hofmannsthal etc. sind leider nur expliziten Kennern der deutschsprachigen Literatur bekannt. Auch Karl Kraus ist heute kein Liebling des internationalen Massenpublikums.
- Nestroy und Raimund kennen meist nicht einmal Nachbarn aus der Bundesrepublik. Diesen kann man dafür den Tiroler Walther von der Vogelweise brühwarm servieren, nicht ohne ein wehmütiges Wort über Südtirol zu verlieren versteht sich.
- Canetti können wir zumindest mit Wien assozieren, aber Vorsicht bei Spezialisten die Canettis wechselvollen Lebensweg nachzeichnen können. Faktum ist, die Gedanken zu Masse und Macht kamen Canetti beim Justizpalastbrand im Jahre 1927
- Thomas Bernhard kann manchmal ein Glückstreffer ins Blaue sein (Heldenplatz wird derzeit z.b. in Buenos Aires gespielt), Elfriede Jelinek ist trotz Nobelpreis völlig unbekannt.


3. "Musik und Tanz" traditionell aber verlässlich



- Die Weltstars unter den Komponisten wurden anfangs angeführt. Aber auch Dirigenten bringen es zu Weltruhm, Herbert von Karajan begeistert all jene, die zumindest minimales Interesse an klassicher Musik haben.
- Nicht nur der bereits erwähnte Donauwalzer erfreut das Gegenüber. Auch das Vorsummen der kleinen Nachtmuik, der Geschichten aus dem Wienerwald oder der Königin der Nacht (Achten sie bei der Immitation derselben auf die Grenze der Lächerlichkeit) sind sehr hilfreich.
- Es gibt nur wenige Länder die so etwas wie einen „Nationaltanz“ haben. Tango in Argentinien, Samba in Brasilien, Flamenco in Andalusien und zweifelsfrei Walzer in Österreich. Der Wiener Walzer ist doch sehr vielen Menschen ein Begriff und vor allem in der Tanzwelt ein anerkannter Fixstern am Tanzfirmament. Wer die Schritte ein bissl beherrscht, kann ihn mit musikalischer Unterstützung von Strauss via Youtube und einem/r Freiwilligen sogar vortanzen. Gekonnt oder gestolpert, bleibender Eindruck garantiert.
- Der Tanzball ist international recht bekannt. Leider weiß niemand, dass dieses gesellschaftliche Event an der Donau erfunden wurde und Wien heute noch als Ballhauptstadt gilt. Der Opernball ist - es tut mir leid lieber Baumeister - eine international bedeutungslose Provinzposse. Auch der Life Ball ist außerhalb Österreichs unbekannt.
- "Stille Nacht, heilige Nacht" ist das bekannteste Weihnachtslied der Welt. Posen sie mit Detailwissen: Es wurde 1818 in Oberndorf bei Salzburg komponiert.
- Das Neujahrskonzert kennen doch ein paar, die Philharmoniker zumindest einige wenige. Die Sängerknaben kennen nur Menschen die bereits als Touristen im Land waren und von Österreich dessen Klischees ausfgedrängt bekamen.
- Ob wir auch was Modernes haben? Tja, vorstammeln von „Life is life“ geht recht gut. Falco’s „Rock me Amadeus“ ist hingegen vom Titel her unbekannt und für einen durchschnittlich musikalisch unbegabten Banausen de facto nicht vorsingbar. Wem es nicht zu peinlich ist kann DJ Ötzis "Hey Baby-Cover" vorsingen. Die Nummer war in den UK Charts Nummer 1 und ist sehr bekannt.
- Kenner der elektronischen Musik werden mit Kruder & Dorfmeister etwas anfangen, die waren in den 90ern echte internationale Szenestars.
- Udo Jürgens ist zumindest für Menschen mit deutscher Muttersprache immer noch eine Schlagerikone!




4. „Die Bösewichte“ oder „die Büchse der Pandora“


Wer den österreichischen Opfermythos auch im Ausland zerstören will (kaum jemand ist sich über die Rolle Österreichs im 3. Reich bewusst), der findest leicht Anknüpfungspunkte:

- Vor allem Hitler nicht verschweigen (erstauntes Entsetzen, für Menschen aus OÖ vielleicht besonders unangenehm)
- Wer Interesse verspürt das Entsetzen zu steigern, oder das Bedürfnis hat die österreichische Mitschuld zu personalisieren, möge Amon Göth, den KZ-Herrn aus Schindlers Liste erwähnen. Diesen haben manche in schauriger Erinnerung. Danach wird niemand mehr an Österreichs Mittäterschaft in Wehrmacht und SS zweifeln.
- Wer Österreich überhaupt als das Übel des 20. Jh. darstellen möchte, kann noch auf die Kriegserklärung an Serbien und den 1. Weltkrieg verweisen. ...Wir haben den ersten begonnen, den zweiten hat ein Österreicher... vielleicht sind wir wirklich das Übel des 20. Jh.??? Also Vorsicht mit diesen Gedankenspielen, denn eigentlich sollten die angeführten Hilfestellungen dazu dienen unser Selbstbewusst zu steigern
- Viel gscheiter ist daher in alter österreichischer Manier von Hitler und Co. schnell abzulenken und als Ausgleich für diese vorangegangene Ehrlichkeit Beethoven zu vereinnahmen: Zur Erinnerung: Er lebte seit seinem 22. Lebensjahr in Wien und gehört eigentlich zur Wiener Klassik...


5. „Historische Persönlichkeiten“, die Massen sind es nicht...


- Marie Antoinette: sichere Abhilfe v.a. gegenüber Menschen aus Frankreich
- Theodor Herzl: kann bei Menschen denen seine historische Bedeutung klar ist großen Eindruck hinterlassen
- Bei historisch interessierten können Maria Theresia, Fürst Metternich und der Wiener Kongress helfen. Kaiser Franz Joseph hat hingegen im Ausland wenig Eindruck hinterlassen.
- Die Fahne der „Bertha von Suttner“ kann man stolz aber leider nur vergebens hochhalten.


6. „Kunst, Wissenschaft und Weltanschauung“, ein solider Fundus


- Gegenüber Kunstinteressierten: Schiele & Klimt erwähnen (Reaktion: helle Freude), bei weniger traditionellen Kunstinteressierten kann man mit dem Wiener Aktionsmus beeindrucken
- Gegenüber Studierenden von Geisteswissenschaften oder gar der Philosophie: Wiener Kreis, Wittgenstein und Popper (große Ehrfurcht)
- Gestandene Marxisten können selbstverständlich mit der Austro-Erscheinung desselben etwas anfangen. Politisch interessierte ohne starke marxistische Affinität ist hingegen selbst das 34er-Jahr meist unbekannt.
- Ökonomen die noch nicht total vermathematisiert sind, kann man leicht beeindrucken: Schumpeter, Hayek, Menger, Mieses, Böhm-Bawerk. Nicht-Ökonomen können mit diesen Namen mit Sicherheit nichts anfangen.
- Erwin Schrödinger und Ernst Mach können bei Naturwissenschaftern zum Erfolg führen, auch den fast echten Linzer Johannes Keppler darf man von den Schwaben ausborgen.
- Menschen die mit Mathematik zu tun haben kann Kurt Gödel ein Begriff sein.
- Nicht nur bei Biologen können Konrad Lorenz und Gregor Mendel behilflich sein.
- Billy Wilder ist Filmkennern ein Begriff
- Die Romanze "Before Sunrise" (1995) ist ein amerikanischer Film der in Wien spielt und nicht zuletzt wegen seiner etwas verklärenden Darstellung der Stadt bei einigen Menschen sehr positive Assoziation zu Wien hinterlassen hat.


7. "Unternehmen" - der Tipp für Menschen aus Osteuropa


- In Osteuropa sind fast alle größeren österreichischen Unternehmen ein Begriff, im Rest der Welt kennt man - außer Red Bull und Swarovski - kein einziges. Wer in den letzten Jahren durch Mittel- und Süosteuropa gereist ist wird festgestellt haben, dass zumindest ökonomisch die Rekonstruktion der Donaumonarchie voll im Gange ist. In Slowenien, Kroatien, Ungarn, Tschechien, Rumänien braucht man sich bezüglich der Bekanntheit der Alpenrepublik keine Sorgen machen. Dort kennt man Österreich nicht für seinen kürzlich patentierten (!) Charme, sondern für seinen konsequenten wirtschaftlichen Regional-Imperialismus. OMV, Strabag, Raiffeisen, Erste Bank, Wiener Städtische, BauMax oder Humanic sind in vielen Staaten sogar Marktführer.
- Red Bull kann weltweit wirklich helfen
- Wer hätte gedacht, dass einem die Existenz von Swarovski einmal nicht wurscht sein wird? Der Kristallladen ist wirklich sehr bekannt.
- Waffennarren ist die Firma "Glock" mit Sitz in NÖ mit Sicherheit ein Begriff. Der steinreiche Österreicher Glock verkauft weltweit erfolgreich seine Pistolen. 2/3 der US-Polizei verwenden das Ding genauso wie etliche Terroristen...
- Ferdinand Porsche ist zumindest indirekt jeder/jedem ein Begriff!


8. „Sport“ oder „das schwächste Glied der Kette“


- Bei älteren Semestern mit Sportinteresse kann Jochen Rind noch aus der Patsche helfen
- Warum wir im Fußball Null sind? Naja weil 2/3 des Landes Berge sind und wir nur Skifahren. Hermann Maier nie gehört? Also ein Blick in Google wird bestätigen, dass wir diesen Sport seit 10 Jahren und länger dominieren…. Stöhn!
- Cordoba ist natürlich außer deutschen Fußballkennern niemandem ein Begriff, die berühmte Heldengeschichte zu erzählen hinterlässt leider gar keinen Eindruck


9. "Küche": Bekanntheit geht durch den Magen



- Apfelstrudel, bzw. überhaupt Strudel, ist v.a. im englischen Sprachraum als "(apple) strudel" bekannt
- Manche Regionen Osteuropas nennen die Cremeschnitte z.b. "Cremschnitt"
- Mozartkugeln kennt man zumindest noch in Deutschland
- Die Sachertorte kann ein Glückstreffer sein ("sacher cake")
- Wer Franzosen belehren möchte: Das Croissant kommt als Abwandlung der Kipferls ursprünglich aus Wien.
- Das Wiener Schnitzel wird in manchen spanischsprachigen Ländern boshafter weise Mailand zugeordnet und als "Milanesa" bezeichnet. Zumindest in Frankreich ist es aber explizit als "escalope viennoise bekannt".
- In Frankreich, aber auch in anderen "lateinischen" Ländern kann man auf eine Viennoiserie stoßen, darunter wird meist eine Feinbäckerei verstanden. In Argentinien kann es dort aber einfach Sandwiches geben, die eher an Subway erinnern.

Alles in allem muss man sagen, dass es fast unmöglich ist keine Assoziation beim Gegenüber zu Österreich herzustellen. Mit dem Bildungsgrad des Gegenübers steigt das was aus Österreich bekannt ist auch exponentiell an. Es ist eben nicht nur Einbildung, was von den Menschen in diesem Land alles an geistigen und künstlerischen Schätzen geschaffen wurde. Ordnet man die Persönlichkeiten historischen Epochen zu wird aber schnell klar, dass weniger mit dem Ende der Monarchie, als viel mehr mit den Nazis, dem Krieg und dem Holocaust das allermeiste an weltbedeutender kultureller Schaffenskraft verloren ging.

5 Kommentare:

  1. Lieber Nikolaus!
    Dieser Blog ist einfach koestlich, vor allem weil ich ja schon seit einigen Jahren genau diese Gespraeche mit Briten und anderen Nationalitaeten ueber Oesterreich fuehre. Habe viel gelacht, Anthony uebrigens auch. Liebe Gruesse in die Ferne!!!
    Valerie

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  2. Liebe Valerie, es soll eine Anleitung für alle verzweifelten Exilant/innen sein, ich freue mich wenn es für Heiterkeit sorgt.

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  3. Als Stefan Zweig-Fan solltest Du bedenken, Exil ist ein zu ernstes ind dramatisch belastetes Wort, um es leichtfertig für einen einjährigen oder auch freiwillig lebenslangen Aufenthalt im Ausland (Valerie)zu verwenden.Er ist daran zerbrochen, weil er der Meinung war, nie merhr zurück zu können in seine Welt von Gestern.

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