Donnerstag, 26. Februar 2009

"Eine Reise durch mein Zimmer" oder "Geographisches "

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Das ist mein Zimmer. Eigentlich habe ich es gern, nur der Straßenlärm ist extrem störend. Auf dem Bild sieht man links die Südwand meines Zimmers, auf der auch die Karte Lateinamerikas zu sehen ist. Hier soll die geographische Reise, sie sich vom großen ins kleine bewegt, beginnen.

Lateinamerika


Einwohner/innen: rund 500 Mio (wie EU)
Fläche: ca. 20 Mio km² (immer noch kleiner als ehem. UdSSR mit 22,4 (!!!), aber doppelt so groß wie das geografische Europa)
Bevölkerungsdichte: 25/km² (Kanada: 3, Österreich: 100, Deutschland: 360, Bangladesch: 1100)
Vier Megametropolen über 10 Mio: Mexiko (23 Mio.), Sao Paulo (20 Mio.), Buenos Aires (14 Mio.), Rio (12 Mio.). Bogota und Lima sind mit acht bzw. sieben Mio ante portas.

Die sechs größten Staaten Lateinamerikas sind:

Brasilien (190 Mio. EW / 8,5 Mio. km²)
Mexiko (100 Mio. EW / 2 Mio. km²)
Kolumbien (46 Mio. EW / 1,1 Mio. km²)
Argentinien (40 Mio. EW / 2,8 Mio. km²)
Peru (28 Mio. EW / 1,3 Mio. km²)
Venezuela (27 Mio. / 0,91 Mio. km²)

Wieso hängt hier Lateinamerika und nicht Südamerika? Nun, es handelt sich um eine politische Karte und nicht um eine topographische. Natürlich sind auch politische Karten nicht wertfrei, insofern kann man eigene Einstellungen durch die Wahl der Karte zum Ausdruck bringen. Ich habe mich am Kiosk entschieden die acht Euro in eine Lateinamerikakarte zu investieren, weil ich überzeugt bin, dass ein in ferner Zukunft ein ökonomisches potentes und politisch selbstständiges Lateinamerika nur geeint existieren kann. Alleine sind die Staaten zu schwach und die Wirtschaftsräume zu klein, um in der Weltwirtschaft souveräne Player zu werden. Gleichzeitig wünsche ich Mexiko, das mit 100 Mio. Einwohner/innen zweitgrößte Land von LA, natürlich zu LA und nicht zu Nordamerika. Auch wenn es unrealistisch ist hoffe ich, dass sich dieser Staat eines Tages aus der Umklammerung der USA befreit und sich in ein politisches geeintes Lateinamerika einreiht. Nicht wenig von dem bisher geschriebenen erinnert an die europäische Einigung, Mexiko ist bei diesem Vergleich ein bisschen das Vereinigte Königreich Lateinamerikas.

Einen gemeinsamen Wirtschaftsraum der laut Vertragstext auch zur politischen Integration beitragen soll gibt es bereits seit 1991, es handelt sich um den „Mercado Común del Sur“ kurz Mercosur. Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela sind die bisherigen Vollmitglieder. Die meisten anderen Staaten Südamerikas sind assoziierte Mitglieder. Mit Mexiko laufen derzeit Verhandlungen über eine Assoziierung. Mexiko ist gemeinsam mit den USA und Kanada seit 1994 Mitglied der North American Free Trade Agreement (NFTA).

Argentinien


Gegenüber der Südwand meines Zimmers befindet sich nahe liegender weise die Nordwand. Auf dieser ist das Schmuckstück meiner Kartensammlung zu finden: Eine Argentinienkarte aus den 1950er-Jahren, die ich auf einem Trödlermarkt in San Telmo erstanden habe. Im Fordergrund lugt meine Mitbewohnerin, die Geographiestudentin Anastasia interessiert auf das Prachtstück. Anastasia ist Russlanddeutsche, die in der UdSSR und in Kasachstan gelebt hat und schließlich mit ihrer Familie nach Rheinland Pfalz (!) ausgewandert ist. Sie ist 174 cm groß und damit wird klar, wie riesig die Karte ist.

Über die Eckdaten zu Argentinien habe ich in diesem Artikel und in jenem vom 2. Februar schon einiges geschrieben. Interessant ist vielleicht nochmals auf den Kontrast der gewaltigen Fläche von 2,8 Mio. km² bei nur 40 Mio. Einwohner/innen hinzuweisen. Zum Vergleich, in der EU leben auf einer Fläche in einer ähnlichen Liga (4,3 Mio. km²) eine halbe Milliarde Menschen. Argentinien grenzt an Chile, Bolivien, Paraguay, Brasilien sowie Uruguay und hat wegen Chiles etwas exzentrischer Form keinen Zugang zum Pazifik. Etwas trotzig ist das offizielle Argentinien nach wie vor der Auffassung, die „Islas Malvinas“ seien argentinisches Territorium. Den uns bekannten Begriff „Falkland Islands“ verwenden sie nicht.

Von den zehn größten Städten Argentiniens gehören nicht weniger als fünf zu Gran Buenos Aires. Darüber hinaus befinden sich noch zwei weitere in der Provinz Buenos Aires. Mit Vororten eingerechnet gibt es zwei weitere Millionenstädte in anderen Provinzen, das sind Cordoba (1,4 Mio.) und Rosario (1,2 Mio.).

Zwischen der Südwand und der Nordwand befindet sich die Westwand. Auf dieser ist einerseits folgendes zu sehen:



Diese Maschine heißt Ventilator. In Ländern in denen es wirklich einen Sommer gibt (und er nicht nur in verzweifelten deutschen „Gute-Laune Liedern“ besungen wird), braucht man so was manchmal. Neben dem Ventilator hängt an der Westwand eine Karte von der Provinz Buenos Aires. Zur Erinnerung an die Wenigen, die aus dem Artikel vom 2. Feber nicht mehr stehgreif rezitieren können: Die Capital Federal, als die eigentliche Stadt Buenos Aires (rund 3 Mio. Einwohner/innen) ist nicht Teil der Provinz Buenos Aires.

Provinz Buenos Aires


Hauptstadt: La Plata (ca. 730.000 Einwohner/innen. La Plata gehört nicht zu Gran Buenos Aires, ist aber nur rund 60 km. von der Capital Federal entfernt. Es ist somit ein bissl das St. Pölten Argentiniens)
Einwohner/innen: rund 14 Mio. (eindeutig größte von 24 Provinzen, umfasst rund 1/3 der Bevölkerung Argentiniens)
Fläche: 300.000 km² (knapp größte von 24 Provinzen, das entspricht übrigens ziemlich genau der Fläche von Polen)
Bevölkerungsdichte: 45/km²

Letztes Wochenende hatte ich das Vergnügen nach vier Wochen erstmals aus der Stadt hinaus zu kommen und nach „Mar del Sur“ zu fahren, einem Dorf in der Provinz Buenos Aires, rund eine Autostunde von Mar del Plata entfernt. Mar del Plata ist wiederum das Bibione Argentiniens, und Perons umgesetztes Ziel, einen Urlaubsort für die Arbeiterschaft zu kreieren. Da Buenos Aires nicht am Meer sondern 300 km. entfernt am verschmutzen Rio de la Plata liegt, war die Schaffung einer Tourismusmetropole an der unweiten Atlantikküste ein nahe liegendes Vorhaben. Vor allem im Jänner dürfte in dieser relativ großen Stadt (630.000 Einwohner/innen) tagsüber am Strand und nachts in den Bars und Diskotheken die Hölle los sein.




Aber zurück zu Mar del Sur, wo weniger die Hölle los ist sondern vielmehr die ewige Ruhe beheimatet scheint. Diese kleine Siedlung für Großstadtmenschen liegt 500 km von Buenos Aires entfernt an der Atlantikküste. Die Busreise dauert 6,5 Stunden und während einer Nachtfahrt kann man recht bequem schlafen. Auf diesen 500 km gibt es nur flaches Land und Kühe, Kühe und Kühe. Es erinnert ein bissl an Holland, nur x Mal größer. Mit 30 Mio. Kühen gibt es auch für fast jede/n Argentinier/in eine eigene Kuh und da die Mensche hier doppelt so viel Fleisch essen wie die US-Bürger/innen, werden auch viele Kühe benötigt. Ein paar Abbildungen von dem schönen und ruhigen Strand sind auf den Fotos zu sehen. Allerdings ist der offene Atlantik ein anderes Kaliber als das Mittelmeer und am zweiten Tag als ich dort war ist ein Fischer von einer großen Welle mitgerissen worden und ertrunken. Meine Begeisterung für die tollen Wellen ist nach diesem Schock in ziemliche Vorsicht umgekippt.




Hier, tausende km. von Europa und hunderte km. von meinem Exil-Wohnsitz, konnte meine wahre, zutiefst infantile Persönlichkeit ohne jeden Genierer an die Oberfläche kommen. Daher habe ich mir auch Freund/innen gesucht, die dem Niveau meiner bisher kaschierten wahrhaftigen emotionalen Entwicklung entsprechen. Wir teilen in der Tat ähnliche Interessen (auf Felsen klettern, Fangen spielen, Süßigkeiten essen, über Disneyfilme reden), folglich konnten wir uns so manche nachmittägliche Stunde lang wunderbar unterhalten. Meine beiden Altergnoss/innen der geistigen Reife werden heuer sieben und sind Zwillinge. Sie heißen Jasmin bzw. Bauti und sind auf den obigen Fotos abgebildet.

Gran Buenos Aires


Springt man von der Westwand meines Zimmers zurück an die Südwand, sticht einen Meter neben der bereits bekannten LA-Karte die Karte von Gran Buenos Aires ins Auge. Diese ist nicht genordet, oben ist Westen, Norden ist rechts. Über Gran Buenos Aires habe ich, wie die/der aufmerksame Leser/in natürlich weiß, am 2. Feber ausführlich berichtet und bitte etwas gedächtnisschwache Freunde dieses BLOGS bei Interesse den entsprechenden Artikel anzusehen.

Capital Federal


Auf der benachbarten Ostseite des Zimmers befindet sich eine Stadtkarte der Capital Federal, also der eigentlichen Stadt Buenos Aires. Von dieser habe ich nach fast fünf Wochen noch immer nur einen relativ kleinen Teil gesehen. Wie jede/r Einwohner/in einer Großstadt kenne ich die meisten Touristenattraktionen gar nicht. Da ich aber einige ambitionierte Portenos in meinem Alter (Portenos nennen sich die Einwohner/innen von BA) kennen gelernt habe, die mir schon einiges gezeigt haben und noch mehr zeigen wollen, wird sich irgendwann ein Stadtviertelreport nicht vermeiden lassen.

Gegenüber der Ostseite kann man nochmals die Westseite erspähen, die auf einen kleinen Balkon führt. Der Blick von demselben ist sehr nett und wäre unten eine ruhige Fußgängerzone statt der Avenida Urquiza, ich würde nie wieder wegziehen.

3 Kommentare:

  1. Dich auf Deiner tour d’horizon durch Lateinamerika zu begleiten, ist ein großes Vergnügen und ich hoffe, dass viele die Gelegenheit nützen werden, um den ihren zu erweitern. Österreich ist ja leider ein Land, in dem - entgegen seiner reichen und multikulturellen Geschichte – das Interesse an der Außenwelt und das Wissen um sie sehr gering ist. Die österreichischen Medien sind auf provinzielle Nabelbeschau konzentriert, Außenpolitik kommt selten vor (U. a. wohl auch eine Folge des brain drains von 1938) .
    Was den Mercosur betrifft, habe ich ja 1994 die Anfänge und ein paar heiße Diskussionen erlebt. Der Vertrag von Asunción war damals – in Europa kaum beachtet – drei Jahre alt, das Inkrafttreten 1995 stand vor der Tür und ein paar Schritte waren schon gemacht, wie der Abbau der Zölle zu ca. 70 % zu Beginn des Jahres 1993. Mehr als 175 Jahre hatte das Ringen zwischen Argentinien und Brasilien um die Hegemonie in der Region gedauert. Mitte der 80er Jahre setzte unter sichtlicher brasilianischer Dominanz ein Prozess wirtschaftlicher Konvergenz ein, in dem Buenos Aires darauf kam, dass es gut wäre, aus der neuen Lage das Beste zu machen. Dass diese Wandlung damals gerade unter dem Peronisten Menem zustande kam, war paradox, weil es das genaue Gegenteil von dem war, wofür Perón und seine Erben standen. Doch in diesem Land, das subtropische Urwälder ebenso umfasst wie antarktische Gletscher, sind Paradoxa oft das Normale

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  2. Hallo exilnik,

    ich bin über Google auf deinen Blog und besonders auf diesen Artikel gestoßen, der sehr schön geschrieben ist. Ich selbst mache gerade meine Abschlussarbeit zum Thema "Reisen" im Fach Design an der freien Universität Bozen (Südtirol). Meine Idee ist es ein Reisemagazin (in gedruckter Form) zu gestalten, dass sich im weitesten Sinne mit dem Thema auseinandersetzt und nicht wie "herkömmliche" Zeitschriften das Reiseziel mit Tipps zu Hotels, Flügen, etc. sondern den Reisenden mit seinen persönlichen Dokumentationen seiner Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt.
    Deshalb wollte ich dich fragen, ob ich deinen Text für die erste Ausgabe verwenden darf?
    Auf www.da.magazin.heile-welt.net kannst du ein wenig mehr über meine Arbeit lesen.
    Über eine Antwort an jkliewer [at] gmx.net würde ich mich sehr freuen.

    Gruß

    Jan

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  3. was für ein schönes Kind. meine Frau ein Baby bald haben. Ich bin so aufgeregt,

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