Samstag, 24. Januar 2009

Passagiere und Crew








Das Zimmer ist besser als in so mancher Jugendherberge. Bad und WC hat jede Kabine für sich, Warmwasser funktioniert dank vier großer Dieselgeneratoren im Maschinenraum einwandfrei. Wir haben sie selbe Art von Kabine wie die Seeleute.Der jüngste Phillipino ist 20, heißt Marc und ist der Steward. Er serviert sogar das Essen und ist für kleinere organisatorische Dinge zuständig. Das Essen bekommen wir im Essraum der Offiziere, aber nicht gleichzeitig mit den Offizieren sondern danach. Mir schmeckt es nicht, außerdem ist zwei Mal am Tag massenhaft Fleisch etwas viel. Der Koch ist der dickste aller Phillipinos. Besonders schlimm ist daher der Umstand, dass es Es zwar Tabak, Alkohol und Softdrinks an Bord zu kaufen gibt, aber keine einzige Süßigkeit. Auch keine Kekse, keinen Kuchen, nicht einmal Knabberzeug. Das ist schon ein ziemlicher Schlag angesichts der Tatsache, dass die Fahrt 17 Tage dauert.

Es gibt Platz für maximal sechs Passagiere auf der Panamby, auf den Schiffen die über Hamburg nach Lateinamerika fahren ist sogar immer nur Platz für eine Person. Außer mir sind hier noch Marco (27), ein fertiger Mediziner aus Bern (27) und Florent (23) ein Puppenspieler und Theaterdekoratuer aus Paris. Die Nachmittage verbringen wir meistens mit Lektüre im Frontbereich des Schiffes (Fotos).

Der Kapitän

Die Seeleute kommen aus Ostasien, die Offiziere und Ingeneure aus Osteuropa, der Kapitän aus Ostmitteleuropa (Polen) und die Fahrgäste aus Westeuropa. Eine klar geordnete sozial-geographische Hierarchie ohne Ausreißer. Der Kapitän ist ein Kapitän. Er ist laut, selbstbewusst, herrisch-freundlich und hat einen Schnauzer. Er scherzt mit den Seeleuten wenn er nicht gerade Direktiven erteilt. Wir Passiere sind mir ihm per „Sir“ oder per „Captein“, er mit uns per Vorname. Es kommt einem schon beim zweiten Dialog nicht mehr komisch vor ihn als Captain anzusprechen, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit. Das soziale Gefüge am Schiff ist so real, dass man ab Tag zwei alles als ganz normal empfindet. Immer wenn der Kapitän sich von mir nicht in seiner ganzen Wichtigkeit respektiert fühlt, stellt er auf "Mister Kowall" um und beginnt Vorschriften zu machen. Ich ignoriere sie und die anderen Passagiere gleichen die Stimmungsvertrübungen durch diplomatischen aus.

Voll in Fahrt kam der Kapitän als er zu Sylvester um Mitternacht die gesamte Crew zu einem Glas Sekt auf die Brücke einlud, um das Jahr 2009 willkommen zu heißen. Er dröhnte und trällerte seine Witze und Bemerkungen stakkatoartig durch den Raum. Auf Reaktionen wartet der Kapitän nicht, er begreift sich als Alleinunterhalter. Nach 20 Minuten schickte es alle wieder zur Arbeit. Die Philipinos hatten viel Spaß.


Die Sowjetbürger

Der zweite Offizier behauptet direkt bei der deutschen Rederei angestellt zu sein und er verdient jedenfalls über 2.000 Euro im Monat. Am 31.12. wurden wir von den Russen und Ukrainern zu einem Sylvesterabendessen eingeladen. Vor allem der Lachs war fantastisch. Viktor, der etwas beleibtere Chefingeneur kommt als Vladivostock, zwei Russen kommen aus Petersburg (einer davon Sergej, er war aber nicht dabei), einer aus Moskau (Boris). Die Ukrainer kommen beide aus dem Zentralraum um Kiew und haben russisch als Muttersprache. Die Gruppe war gastfreundlich und sympathisch. Seit gestern weiß ich (vom zweiten Offizier aus der Ukraine wohlgemerkt!), dass die Mitgliedsstaaten der Sowjetunion alle freiwillig dabei waren. Es war Volkes Wille. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Entstehungsmythen der Sowjetunion und dem Stalinismus werde ich in den kommenden zwei Wochen subtil anregen. Scheitern mit Sicherheit vorprogrammiert.

Die Philipinos

Nach Mitternacht haben uns die Philipinos in den Aufenthaltsraum für die Seeleute eingeladen. Sie waren so höflich unter großem Spaß und Gegröle nach unserem Eintritt von Porno auf Boxen umzuschlaten. Die meisten der Philipinos sind unter 30, manche haben studiert und sind nun als Kadetten hier, sie dürften Aufstiegchancen haben. Das Schiff fährt unter zypriotischer Flagge, was folgende arbeitsrechtlichen Bedingungen ermöglicht. Die jungen Philipinos arbeiten über Monate ausnahmeslos jeden Tag und verdienen rund 500 Dollar im Monat, was derzeit rund 360 Euro entspricht. Jene die schon länger dabei sind verdienen 1.000 Euro. Das liegt zwar über den philipinischen Durchschnittslöhnen von 300 Euro, ist aber trotzdem ein Skandal. Es gibt zwar eine Art internationale Seeleutegewerkschaft die auf gewisse Standards achtet, die Löhne dürften aber jenseits ihrer Einflussnahme liegen. Die Philipinos haben einen Arbeitsvertrag mit ihrer Agentur, sie sagen für diesen gelten philipinische Arbeitsbedingungen.

Die jungen Philipinos sind mit ihrem Lohn recht zufrieden und wollen ihr Leben einfach mal auf sich zukommen lassen. Sie sind guter Dinge bezüglich ihrer Zukunft und überhaupt sehr laut, lebhaft und spaßig. Sie erinnern mich ein bisschen an Italiener und sind sehr sympathisch. Sie wirken sehr westlich und englisch dürfte auf den Phillipinen eine wichtige Rolle spielen. In den kommenden zwei Wochen werde ich subtile Versuche unternehmen ein Klassenbewusstsein oder zumindest ein „tradeunionistischen“ Verständnis zu verbreiten. Scheitern mit Sicherheit vorprogrammiert.

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